Der mechanische Sklave: mechanische Intelligenz und
intelligente Mechanik
Von Henner Schneider
(...)
Der Traum der Menschen, einen Androiden als Abbild des
Menschen selbst zu schaffen, ist schon alt.
Bereits aus der griechischen Mythologie kennen wir den
zyprischen König Pygmalion. Er soll sich
in die schönen Galatea, eine Elfenbeinfigur, verliebt haben.
Pygmalion nahm Galatea zur Frau, nachdem sie von Aphrodite, der
Göttin der Liebe, belebt worden war. Diese Geschichte zieht sich mit
„Pygmalion und Galathea" , einer Erzählung von W. S. Gilbert, mit „Pygmalion" (1913) von George
Bernard Shaw und dem Musical „My Fair Lady" (1956 am Broadway uraufgeführt) von Frederik Loewe und Alan
Jay Derner, abgewandelt durch die Literatur.
Aber auch Menschen als Erbauer von Androiden finden
sich in der griechischen Mythologie, z. B. in der Figur des Dädalus,
der eine Holzfigur geschaffen haben soll, durch deren Adern
Quecksilber floß. Doch die Götter bestraften ihn für seine
Versuche, ihnen nachzueifern.
Auch die Probleme und den Mißbrauch der
Robotertechnik finden wir in der Literatur. So findet sich schon in
der jüdischen Sagenwelt der „Golem" als Figur des Bösen. Im
Talmud, der Schriftensammlung der jüdischen Religion, wird damit der
Tonklumpen bezeichnet, dem der Schöpfer den Lebensodem einhaucht. Der
Rabbi Löw soll 1580 in Prag einen Golem als Synagogendiener
geschaffen haben, bis dieser ihn mit zunehmender Selbsterkenntnis im
Alter von 13 Jahren zwang, ihn wieder zu Ton zu machen.
(...) In der Zeit der Romantik beschrieb E.T.A. Hoffmann (1776 - 1822) im Jahr 1815 in seiner Erzählung „Der Sandmann"
die Puppe „Olympia" als einen Androiden, der menschliche
Fähigkeiten nachbildete. Das
Thema wurde von anderen Autoren aufgegriffen. Jaques
Offenbach (1819 - 1880) benutzte es in seiner Oper „Hoffmanns
Erzählungen", deren Uraufführung 1881 in
Paris stattfand. Der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856 - 1939) machte davon
in seiner 1919 erschienen Studie „Das
Unheimliche" Gebrauch. Auch in der bildenden Kunst wurde das
Thema von mehreren Malern aufgegriffen, u. a. 1913
von Alfred Kubin in seinen
Zeichnungen zum „Sandmann".
Ebenfalls in der Romantik
stellte Mary Shelley (1797 - 1851)
in ihrem Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus" (1818) die schreckliche Vision eines
künstlichen Menschen dar. Sie
hatte bei einem gemeinsamen Sommeraufenthalt mit Freunden im Jahr 1816
bei Genf, Lord Byron getroffen. Er schlug aus einer Laune heraus der
Gruppe einen Wettstreit zum Schreiben von Gespenstergeschichten
vor, aus dem das weltbekannte Buch von Mary Shelly entstand. Sie
identifizierte die Titelfigur ihres Romanes mit Prometheus, von dem
die die griechische Sage berichtet, daß ihn der Göttervater Zeus u.
a. dafür bestrafte, daß er den Menschen aus Lehm erschuf.
Auch diese Vision
verbreitete sich weiter durch die Literatur- und speziell durch die
Filmgeschichte. Der tschechoslowakische Schriftsteller Karel Capek prägte 1921 in seinem Bühnenstück „Rossums
Universal-Roboter" den Begriff „Roboter". Das slawische
Wort „robota" bedeutet „schwer arbeiten". Andere Autoren
verwendeten diesen Begriff und schließlich wurde er zum Bezeichner
der heutigen technischen Roboter.
In der modernen Literatur
finden sich Androiden und Roboter in vielfältiger Form. Der Science
Fiction Autor Isaac Asimov
erarbeitete in seinen Werken die Grundideen des Roboters als technisch
sinnvoller Maschine, die er in „drei Gesetzen der Robotik"
beschrieb:
-
Ein Roboter darf
ein menschliches Wesen nicht verletzen oder durch Nichtstun
zulassen, daß ein Mensch Schaden oder ein Leid zugefügt wird.
-
Ein Roboter muß
den von Menschen gegebenen Anweisungen gehorchen, es sei denn,
es bestehen Konflikte mit dem ersten Gesetz.
-
Ein Roboter muß
seine eigene Existenz schützen, es sei denn, es bestehen
Konflikte mit dem ersten oder zweiten Gesetz.
Am bekanntesten wurden
die beiden Roboter R2D2 und C3PO aus dem Film „Krieg der
Sterne" (1977) von George Lucas. Sie stellen die „Dick
und Doff" des Roboterzeitalters dar.
Im Laufe der Zeit wurde
immer wieder versucht, Androiden auch technisch zu realisieren.
Technisch perfekt realisierte, mechanische Androiden, waren Automaten,
wie die „Allesschreibende Wundermaschine", die, der aus
Darmstadt stammende, Feinmechaniker Friedrich
Knaus, um 1760 am Hofe Maria
Theresias in Wien, baute. Die Maschine befindet sich heute im Museum
für Industrie und Gewerbe in Wien.
Aus der Vielzahl
mechanischer Automaten heben sich als die vielleicht schönsten
derartigen Androiden der Schreiber, der Zeichner und die Musikerin
heraus, die von Pierre und Henri-Louis
Jaquet-Droz und ihren Mitarbeitern Jean-Frédéric
Leschot, Henri Maillardet
und Jacob Frisard um 1774 in La Chaux-de-Fonds, dem Zentrum des
schweizer Uhrenbaus, geschaffen wurden. Sie befinden sich heute in
restaurierter Form im Geschichtsmuseum in Neuenburg und werden dort ab
und zu vorgeführt.
Aber wie überall waren auch Scharlatane am Werk. So
schuf der sonst hochbegabte Wolfgang von
Kempelen einen Schachspieler, den er 1769
in Wien vorstellte. Der Schachspieler saß an einem kastenförmigen
Tisch mit dem Schachspiel und spielte gegen einen menschlichen
Spieler. Das Geheimnis bestand darin, daß im Tisch ein menschlicher
Schachspieler verborgen war. Denn das Schachspiel zu automatisieren,
konnte zur damaligen Zeit nicht gelingen. Da der schachspielende
Androide als Türke dargestellt war, spricht man heute noch von einem
„Türken", wenn man eine solche Scharlatanerie benennen will.
Die Entwicklung von Industrierobotern begann mit den
„numerich gesteuerten Werkzeugmaschinen (NC-Maschinen)", die
der Amerikaner G. C. Devol 1946 erfand und 1952 patentiert bekam.
Erste numerisch gesteuerte Maschinen wurden am M.I.T.
entwickelt und 1952 erstmals vorgestellt.
Der Brite C. W. Kenward
erfand 1954 einen Roboter, der ihm 1957
patentiert wurde.
Ein erster industrieller Roboter wurde ab 1959 von der Firma "Planet Corporation"
hergestellt. Er wurde noch von mechanischen Kurvenscheiben gesteuert.
Im Jahr 1958 gründete Joe Engelberger die Firma "Unimation
Inc.", die ab 1960 erste, mit einer
numerischen Steuerung versehene Roboter, herstellte. Das Modell „Unimate"war
nach den Ideen von Devol konstruiert.
Im Jahr 1968 wurde am
"Stanford Research Institute" der mobile Roboter „Shakey"
entwickelt.
Der weithin bekannte „Stanford-Arm" wurde 1971 an der Stanford University gebaut. Er
stellt den Prototyp der heute üblichen elektrisch betriebenen
Knickarm- Roboter dar.
In der Folgezeit entstanden in Amerika und dann
weltweit Roboterfirmen. Besonders in Japan wurde frühzeitig die
Bedeutung der Robotik für die Rationalisierung industrieller
Fertigungsprozesse erkannt. Schon 1971
wurde der Japanische Industrie-Roboter Verband gegründet. Die
japanische Industrie entwickelte eigene Robotersysteme und setzte sie
in großer Zahl ein. Beispielsweise wurde 1979
der SCARA Schwenkarm-Roboter (Selective Comliance Assembly Robot) für
Montageaufgaben an der Yamanashi Universität entwickelt.
Besonders die amerikanische Roboterindustrie wurde
durch die Entwicklung in Japan in erhebliche Bedrängnis gebracht.
Viele amerikanische Roboterfirmen sind wieder untergegangen.
In den letzten zehn Jahren hat der industrielle
Einsatz von Robotern einen steilen Zuwachs erlebt. In Deutschland
wurden im Jahr 1994 ca. 45.000
Industrieroboter eingesetzt.
Nachdem die Mechanik der Roboter einen hohen technologischen Stand
erreicht hat, konzentriert sich die weitere Entwicklung heute auf die
Steuerung der Roboter. Neben den grundlegenden Problemen der
Kinematik, zu deren Lösung zunehmend Methoden der Künstlichen
Intelligenz eingesetzt werden, rückt die Entwicklung autonomer,
mobiler Systeme ins Interesse der Entwickler. Auch hier werden mit
vielfältiger Sensorik, Bilderkennung und lernenden Systemen mit
Neuronalen Netzen, die Methoden der künstlichen Intelligenz
verwendet. Durch den Einsatz solcher Methoden gelingt es, Roboter für
Aufgaben einzusetzen, die bislang eine Domäne des Menschen waren.
Die aktuelle Forschung
beschäftigt sich mit Laufmaschinen, die auch in unwegsamem Gelände
beweglich sind. Ein nicht ganz neues, doch zunehmend aktuelles Thema
ist die Telerobotik, z. B. für die Chirurgie, für Experimente im
Weltraum etc. (...)
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